Alles zur Chancenkarte: Antworten vom Experten für Migrationsrecht

Alles zur Chancenkarte: Antworten vom Experten für Migrationsrecht

Mit Einführung der Chancenkarte wurde für internationale Fachkräfte ein neuer Weg nach Deutschland eröffnet. Doch auf diesem Weg zu navigieren, fällt vielen Bewerbenden schwer:

Wie weiter, wenn die Botschaft nicht auf die Bewerbung reagiert? Warum sind Bewerbungen aus Afghanistan und dem Iran so schwierig? Und wie können Arbeitgeber Bewerbende mit Chancenkarte am besten unterstützen?

Diese und weitere Fragen beantwortet Rechtsanwalt und Fachanwalt für Migration Björn Maibaum, Geschäftsführer der Maibaum Rechtsanwalts GmbH.

Guten Tag Herr Maibaum, vielen Dank für Ihre Zeit! Sie praktizieren seit über 20 Jahren Migrationsrecht. Was hat Sie nun dazu bewegt, sich mit der noch relativ jungen Chancenkarte auseinanderzusetzen?

Mir gefällt die Perspektive, die der Gesetzgeber mit der Chancenkarte ermöglicht. Sie ist ein Werkzeug, um qualifizierten und an Deutschland interessierten Menschen den Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt niedrigschwellig zu ermöglichen. So können wir die dringend gesuchten Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft gewinnen.

Was macht die Chancenkarte niedrigschwelliger als alternative Visa?

Der große Unterschied zwischen der Chancenkarte und allen übrigen Aufenthaltstiteln zur Fachkräfteeinwanderung ist, dass ein konkretes Arbeitsangebot vor der Einreise nicht nachgewiesen werden muss. Mit der Chancenkarte brauchen Kandidaten ein solches Angebot nicht mehr.

Ist das Verfahren, um die Chancenkarte zu erhalten denn tatsächlich so „niedrigschwellig“?

Es besteht noch Verbesserungsbedarf bei der Ausgestaltung klarer Regelungen im Zusammenhang mit der Chancenkarte: So ist nach wie vor ungeklärt, ob ein Recht auf Familiennachzug besteht. Die Verwaltungsvorschriften räumen den Konsulaten insoweit ein Ermessen ein, das Online-Portal sieht aber eine Antragstellung gar nicht vor. Die Prüfung, ob eine Qualifikation im Herkunftsland staatlich anerkannt ist, erfordert außerdem die umständliche Einbindung einer weiteren deutschen Behörde, der ZAB.

Ungeklärt ist auch, ob mit einer Aufenthaltserlaubnis zur Suche einer Erwerbstätigkeit nach Abschluss einer Ausbildung in Deutschland eine Chancenkarte erteilt werden kann, um den Suchzeitraum zu verlängern: Diese Möglichkeit wird vom Gesetz und den Verwaltungsvorschriften nicht ausgeschlossen, teilweise aber durch die Behörden in Frage gestellt.

Bei den lokalen Ausländerbehörden ist die Expertise zur Chancenkarte leider oft noch unzureichend vorhanden.

Die Konsulate bestehen auf einer Beantragung über das Online-Portal. Es wird dann eine Vorprüfung durchgeführt, mit teils schwer nachvollziehbaren Ergebnissen. Teilweise folgt dann lediglich eine formlose Einstellung des Verfahrens mit der Aufforderung, einen neuen Antrag zu stellen. Wünschenswert wäre hier eine rechtsmittelfähige Ablehnung, die von den Gerichten überprüft werden könnte.

Was sind Missverständnisse über die Chancenkarte, die Ihnen häufig begegnen?

Weit verbreitet ist das Missverständnis, dass es immer auf den Punktekatalog ankommt. Richtig ist dagegen, dass schon bei einer in durch die Bundesregierung anerkannten Qualifikation als Fachkraft – unabhängig vom Punktekatalog – die Chancenkarte erteilt wird. Zwar muss auch bei anerkannten Fachkräften der Lebensunterhalt sichergestellt sein, Deutschsprachkenntnisse werden aber nicht gefordert.

Fehler passieren auch, wenn Personen legal visumsfrei einreisen dürfen, dann aber feststellen, dass die Chancenkarte nur aus dem Ausland heraus bei einem deutschen Konsulat beantragt werden kann.

Gibt es Herkunftsländer, aus denen es momentan besonders schwierig ist eine Chancenkarte zu erhalten?

Für bestimmte Herkunftsländer ist die Antragstellung derzeit nicht möglich, so etwa im Iran oder in Afghanistan. Teilweise existieren Wartelisten, so etwa bei der deutschen Botschaft in Indonesien.

Ein weiteres Problem für viele Antragsteller:innen ist die lange Wartezeit in manchen Botschaften. Was raten Sie zu tun, wenn die Botschaft sich nicht zurückmeldet? Können Bewerbende auch Untätigkeitsklagen einreichen?

Die Zusammenarbeit mit den Konsulaten gestaltet sich leider oft schwierig, die Anträge werden nur schleppend bearbeitet. Wenn nach 3 Monaten keine Antwort vorliegt, kann eine sogenannte Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht werden.

Diese hat zum Ziel, eine Entscheidung zu erzwingen. Auch wenn sich die meisten Antragsteller verständlicherweise hiervor scheuen, geht es oftmals um die weitere Lebensplanung, weshalb eine Klärung oberste Priorität haben sollte. Niemand wird Ihnen nach der Einreise nach Deutschland Ihr Klageverfahren irgendwie negativ anlasten, verbuchen Sie es einfach als eine Einführung in die deutsche Mentalität. Jeder darf in Deutschland seine Rechte – notfalls vor den Gerichten – geltend machen.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Behörden innerhalb von Deutschland?

Leider besteht noch viel Aufklärungsbedarf, wir arbeiten täglich daran, den Behörden die Bedeutung der Chancenkarte aufzuzeigen.

Nicht nur für Behörden, auch für Arbeitgeber ist die Chancenkarte Neuland. Haben Sie Hinweise für Arbeitgeber die Menschen mit Chancenkarte in Teilzeit oder Probearbeit anstellen?

Die Arbeitgeber sollten unbedingt auf die zeitlichen Grenzen für eine Beschäftigung bzw. Probearbeit und die Einhaltung des Mindestlohns achten. Für die Dauer der Beschäftigung muss eine Kopie der Chancenkarte beim Arbeitgeber in elektronischer Form oder in Papierform aufbewahrt werden. Rechtzeitig vor Ablauf der Such-Chancenkarte muss die Folge-Chancenkarte bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Dabei ist zu beachten, dass es regelmäßig zu Wartezeiten bei den Ausländerbehörden kommt und eine andere – qualifizierte – Beschäftigung frühestens nach Beantragung des elektronischen Aufenthaltstitels in der Ausländerbehörde möglich ist.

Auch sollte der Einsatz frühzeitig geplant werden, weil für die Verlängerung der Chancenkarte eine qualifizierte Beschäftigung notwendig ist, die über die mit der Such-Chancenkarte erlaubte einfache Beschäftigung hinausgeht.

Wie können Arbeitgeber Bewerbende mit Chancenkarte unterstützen?

Unterstützen können Arbeitgeber die Bewerbenden durch die Erteilung verbindlicher Arbeitsangebote bereits im Visumsprozess, um die Finanzierung zu erleichtern. Außerdem können wir als Experten zur Vermeidung von Wartezeiten und zur Beratung über Perspektiven eingebunden werden. Unterstützung durch Arbeitgeber erfahren viele Bewerber auch bei der Wohnungssuche.

Was ist Ihr Eindruck Herr Maibaum, wird die Chancenkarte langfristig eine echte Säule der Fachkräftegewinnung in Deutschland sein? 

Ich bin der Überzeugung, dass der Gesetzgeber mit der Chancenkarte auf dem richtigen Weg zu einem modernen und wettbewerbsfähigen System der Fachkräftegewinnung – zusätzlich zu den individuellen Recruiting-Aktivitäten der Unternehmen – ist. Dabei gilt es weiterhin, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu präzisieren und das Verfahren zu beschleunigen. Trotz der genannten Schwierigkeiten sehe ich großes Potential in der Chancenkarte.

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